Wespen

Im Zusammenhang mit der Wiederbesiedlung Wespens ist uns der Name Georg Holyk mehrfach begegnet. Doch wer war dieser Mann, der sich der böhmischen Glaubensflüchtlinge annahm und ihnen nach langwierigen Verhandlungen eine neue Heimat schenkte? Welche Informationen sind über 300 Jahre nach seinem Tode noch verfügbar?

Hier kommt uns der Umstand zu gute, dass Holyk die Laufbahn des Geistlichen einschlug und somit des Lesens und Schreibens kundig war. Anhand der von ihm oder über ihn verfassten Bücher und Berichte lässt sich seine Lebensgeschichte recht gut rekonstruieren.

Wahrscheinlich wurde Georg Holyk zwischen 1630 und 1640 geboren. Er wuchs in Böhmen auf und entstammte einer lutherischen/protestantischen Familie. Mit zwölf Jahre wurde er von Jesuiten zur römisch-katholischen Religion gezwungen. Ein Schicksal, das in der Zeit der Gegenreformation vielen Kindern und Jugendlichen in Böhmen wiederfahren ist.

In dem später von Ihm veröffentlichten Aufsatz „Blutigen Thränen des Böhmerlands“ beschreibt er die Situation wie folgt:

“Als die schwedischen Soldaten von Prag und aus ganz Böhmen (1645) sich wegmachten, ist die (Gegen=)Reformation noch viel ärger, als je geschehen, angegangen. Da sind bald neue Commissarien gesetzt und durch das böhmische Reich eingetheilt worden, welchen zugegeben waren die auserlesensten Jesuiten. Da kamen sie zu allem Übel, Grafen und Freiherrn durch alle Gebiete, und nachdem sie ihre Sachen mit denen unterhandelt hatten, beruften sie die Unterthanen vor sich an gewisse Oerter, und fingen von den Alten an, solche zu examiniren. Wenn etliche sind gewesen, die sich nicht wollten für ursprünglich catholisch bekennen: so haben sie solche alsbald dem Hauptmann oder Richter vorbringen lassen, welcher bald in Bereitschaft gewesen und befohlen, dieselben in Eisen zu schmieden und in’s Gefängniß zu bringen. Es fanden sich aber viele alte Leute, von hohem und niedrigem Stande, die sich den Jesuiten wiedersetzten und sich nicht zwingen lassen wollten. " (aus: „Literarische Reise in das Innere von Böhmen. 1836. Pescheck, Diaconus in Zittau, veröffentlicht in „Neues Lausitzisches Magazin“, 1837)

Er lebte 1655 im Dominikaner- Orden in der Altstadt von Prag und studierte im St. Aegidienconvent Theologie. Anschließend wurde er Prediger im Dominikaner- Orden.

Angeblich las er „fleißig, jedoch heimlich“ lutherische Bücher, was dazu führte, dass er die „göttlichen Wahrheiten erhielt“ und ungefähr 1665 die römische Kirche verließ. Zu dieser Zeit wurden abtrünnige Priester verfolgt und bestraft. Es ist anzunehmen, dass er in diesem Jahr Böhmen verließ und ins protestantische Sachsen auswanderte. Wie man damals sagte, nahm er den „Exulantenstab“.

Für viele Exulanten war das hinter der böhmischen Grenze gelegene Zittau, die erste Anlaufstation. Von dort ging er nach Wittenberg, wo sich die Theologen Calov, Meißner und Carpzov seiner annahmen. Er lebte nun einige Jahre in Wittenberg und später in Barby (1665-72).

Ab 1668 setzte er sich sehr für 200 Landsleute ein, die sich noch in Zittau aufhielten. Er reiste viel zwischen Zittau, Halle und Wittenberg umher bis es ihm gelang, in der Grafschaft Barby eine Siedlungsstelle (Wespen) zu bekommen. Im Juni 1669 trafen die Exulanten in Barby ein, im Frühjahr 1670 wurde mit dem Häuserbau in Wespen begonnen. Er selbst mietete sich eine Wohnung in Barby und wurde ihr Pfarrer. Die Gottesdienste wurden abwechselnd in der Stadt- und Johanniskirche in böhmischer Sprache abgehalten.

Es folgt die Abschrift eines Schreibens, worin Pfarrer Holyk den Herzog August in Barby bittet, ihm die durch seine Tätigkeit für die böhmischen Exulanten entstandenen Auslagen zu erstatten (und aus dem hervorgeht, dass er verheiratet war und ein Kind hatte):

Dem hochwürdigsten durchlauchtigsten hochgeborenen Fürsten und Herren. Herren Augusto Postulirten Administratori des Primat und Erzstiftes Magdeburg Herzogen zu Sachsen Jülich Cleve Berg Landgrafen in Thüringen, Marktgrafen zu Meißen auch Ober- und Niederlausitz, Grafen zu der Mark Ravensburg und Barby, Herren zu Rauenstein meinen Gnädigsten Fürsten und Herren.

Hochwürdigster Durchlauchtigster Fürst und Herr!

Eure Hochfürstliche Durchl. sind meine Unterthänidste gehorsamste Dienst sambt andächtigen Gebeths möglichsten Fleißes jederzeit bakor (gewiß).

Gnädigster Fürst und Herr!

Daß Eure hochfürstliche Durchlaucht auß lauter Fürstlicher Milde und Gnade mich jüngsthin durch den Herrn Ambtmann zu Jüterbock dreißig Thaler Ration gnädigst haben zu maßen lassen, dafür sage ich nochmals gantz unterthänigst gehorsambsten Dank. Nachdem aber gnädigster Fürst und Herr ich wegen der Böhmen biß anher sehr viel Mühe, Arbeit und daneben große Unkosten laut beiligender Specification, welchen ich hier und bei guten Freunden erbettelten Gehalt aufwanden müssen, nunmehr aber nichts mehr übrig habe, damit ich mit Weib und Kind mich notdürftig erhalten könne, daß gelanget an H. Hochfürstl. Durchl. mein unterthänigst Flehen und Bitten. Sie wollen gnädigst gerufen die Böhmen zur Restituirung solcher Unkosten ernstlich anzuhalten oder auch den Gnädigsten belieben sonst Verfügung zu thun, damit ich alß ein geweihter Priester bei guten Leuten das Brot für den Thieren nicht suchen darf. Solche hohe fürstliche Gnade werde ich lebenslang rühmen und mit einem Gebeth und gehorsamen Diensten zu verschulden bin ich jederzeit schuldig und willigst.

Datum Wittenberg, den 8. Mai. A 1671

Eure Hochfürstliche Durchlaucht

Unterthänigster

Gehorsamster Diener

Georg Franz Holyk, Pfarrer

Holyk wurde dann von der böhmischen Gemeinde nach Schweden geschickt, um dort „Beysteuer“ zu erlangen. Als im Jahr 1680 die Wespener Schrotholzkirche fertiggestellt wurde, war Holyk schon nicht mehr in Barby.  

In Upsal (Schweden) veröffentlichte er 1672 das Buch „Querelae et lachrymae bohemicae, id eft, breuis et vera commemoratio miserrimae conditions, in qua vere Euangelici Christiani constituti sund in Bohemia“, in dem er die Situation der Exulanten beschrieb, was wohl die Spendenbereitschaft der protestantischen Schweden erhöhen sollte. Diese Buch erschien in Latein und Schwedisch.

1673 erschien in Wittenberg „Päpstliche Geißel - das ist Eine kurtze Erzehlung der vier erbärmlichen Plagen mit welchen das Königreich Böhmen gedrückt worden“. Es erschien in Latein, erst später in Deutsch. Nach 1 ½ jährigem Aufenthalt ging er nach Riga.

1679 erschien „Kurtze und wahrhafftige Erzehlung Des betrübten und gar traurigen Zustandes Des König-Reichs Böhmen, In welchem es, insonderheit in den letzten Verfolgungs Jahren der Religion halben gerathen“. Dieses Buch erschien in böhmischer und dann in deutscher Sprache.

Holyk, Gartenbuechlein

Bildnachweis: SLUB Dresden / Digitale Sammlungen aus: Oecon.E.227

Ins deutschsprachige Exil getrieben, hatte Holyk das Problem, die deutsche Spache nicht zu sprechen und zu verstehen. Um seinen Lebensunterhal im Alter zu bestreiten, begann er sein umfangreiches gärtnerisches Wissen niederzuschreiben und zu Veröffentlichen.

1684, Riga: Der vereinigte liv= und ausländische Gartenbau (9 Auflagen zu Frankfurt und Leipzig)

1687, Riga: Versprochenes Blumen- und Küchen- Garten-Büchlein

In den Einleitungen seiner Gartenbücher beklagt er sich häufig über seine mangelnden deutschen Sprachkenntnisse und rechtfertigt sein Broterwerb als Autor von Gartenbüchern. So in „Lieff- und Ausländischer Garten- Bau“ von 1691:

„Als ein in Exilio und ohne Dienste lebender Priester / wegen Ermangelung der Teutschen Sprache / werde ich veranlasset in jenes Erz- Vaters und Predigers der Barmherzigkeit Fußstapffen zu treten / aus den geistlichen in den leiblichen Garten= Bau / damit ich noch ferner GOTT dem HErrn in erlangter gewünschter Sicherheit / und meinem Nähesten dienen / und von demselbigen mein Brod erwerben / und leben könnte.“

1693 erschien in Wittenberg: "Verneurtes und vermehrtes Dreyfaches Garten= Büchlein", in dem er sich wie folgt nennT: "GEORGII HOLYK, vormahligen PASTORIS der Böhmischen Gemeine in Barby, … anitzo in Riga wohnend". Im Vorwort steht zu lesen:

„Weil ich nun wegen mangel der Teutschen Sprache / in des Herrn Weinberg in diesen Landen nicht arbeiten kann / so habe mich gewendet zu einem irrdischen Baum= Bluhmen= und Küchen= Büchlein"

Im Jahr 1698 erschien in Hannover "Vermehrtes dreyfaches Garten= Büchlein". Hierin rechtfertigt er sich, weil einige „Mißgünstige Leuthe“ ihn des „Plagii“ beschuldigen:

„daß solche überkluge oder abergläubische Leute mir vorschrieben / womit ich in meinem jetzigen üblen Zustande Gott besser dienen könnte? / Sollten sie mich meine vocation zuverfolgen vorschreiben / oder in Schulen zu dociren / so ist mir solches / weil ich dieser Länder Sprache nicht wohl verstehe / unmüglich / selbige auch in meinen Alter unmüglich erlernen kan / und macht mich insonderheit zur Schulwesen mein blödes Gesichte untüchtig / ersehe also nicht / wie ich auff eine andere Weise mich könnte erhalten.“

1707, Frankfurt: Neuvermehrtes vierfaches Garten= Büchlein (Georgü Holyk)

1709, Frankfurth und Leipzig: Neuvermehrtes vierfaches Garten= Büchlein (Georgü Holyk)

Die Auflage von 1707 und 1709 erschienen mit selber „Vorsprach“ (Vorrede/Einleitung) wie die Ausgabe von 1698. Sie könnten also schon nach seinem Tod veröffentlicht worden sein.

Wahrscheinlich starb er um 1700 in Riga.

Namensvarianten:

  • Holyk, Georg
  • Holík, Jiří
  • Holyk, Georgius
  • Holyck, Georgius
  • Holyk, Georgius Franciscus
  • Holyck, Georg Franz
  • Holyk, Georg Franz
  • Holik, Georg

Bildnachweis: Bayerische Staatsbibliothek München , Oecon. 887 d

Bildnachweis: SLUB Dresden / Digitale Sammlungen aus: 31.8.4870